Allgemein werden heute vier psychologische Grundströmungen benannt: die psychodynamische (mehr oder minder in der Tradition von Sigmund Freud), die Verhaltenstherapie (ursprünglich basierend auf dem klassischen Reiz-Reaktionsmodell), die humanistische (u.a. mit Carl Rogers personenzentrierter Gesprächstherapie) und die systemische Strömung (Belastungen/Störungen sind nur im Kontext z.B. des Familien- oder Beziehungs-Systems zu verstehen und zu ändern).
Werde der, der du bist! (Pindar übersetzt von Friedrich Nietzsche)
Da für mich der oder die Patientin im Mittelpunkt steht – ganz im Sinne von Rogers Personenzentrierter Therapie –, hat er oder sie damit auch das Recht auf eine individuelle Herangehensweise aus einer der vier Grundströmungen, die seinem Anliegen am besten dient. Dieses integrative Verfahren, also die Auswahl und Kombination von verschiedenen Methoden, lehnt sich an den Ansatz der Psychodynamischen Kurzzeittherapie nach Hanna Levenson an. Ich bewege mich aber bewusst nicht innerhalb der Mauern eines Lehrgebäudes. Es ist interessant, dass sich oft die Erneuerer der etablierten Schulen wie im Falle der Verhaltenstherapie A. Ellis oder R. Lazarus von anderen Therapierichtungen haben inspirieren lassen.
REVT von Albert Ellis
Ein wichtiger Baustein meiner Beratungsleistung beruht auf der REVT, der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie, von Albert Ellis. Nach dem sogenannten ABC-Modell führt ein auslösendes Ereignis (A activating event) zusammen mit dem eigenen Wertesystem und den Bewertungsmustern (B belief-systems) zu emotionalen und/oder aktiven Konsequenzen (C consequences). Manchmal sind diese Reaktionen nur schwer rational nachzuvollziehen oder als Verhaltensregel maladaptiv. Das bedeutet, dass diese Regeln kurzfristig hilfreich waren, um mit einer Stresssituation umzugehen, aber mittel- bis langfristig sich störend auswirken können für einen selbst oder im sozialen Miteinander. Im Rahmen einer Psychotherapie nach dem REVT-Ansatz werden diese Hindernisse und irrationalen Muster besprochen (D disputation) und mit Hilfe einer kognitiven Umstrukturierung (E effect) geändert.
Schematheorie von Young
Die Schematherapie von Young fällt in eine ähnliche Kategorie der Erneuerung. Jeffrey E. Young erweiterte in den 1990er Jahren die kognitive Verhaltenstherapie um den Bereich der Emotionen. Nach seiner Auffassung erwirbt man in der Kindheit adaptive oder maladaptive Schemata, wenn die Grundbedürfnisse wie verlässliche Bindung, Autonomie, Orientierung, das Ausdrücken von Emotionen oder Lustgewinn (nicht) befriedigt wurden. In ihrer negativen Form können diese Schemata das Leben eines Menschen behindern und müssen deshalb bearbeitet respektive umgewandelt werden. Ziel einer Schematherapie ist es, Menschen zu helfen, ihre Persönlichkeit positiv zu beeinflussen und in eine gewünschte Richtung zu verändern. Der Betreffende kann mithilfe von Achtsamkeit erkennen lernen, in welchen Situationen, durch welche spezifischen Trigger seine Schemata aktiviert werden. Dann gilt es, die bisherigen, neuronal eingeschliffenen Verhaltensmuster zu unterbrechen, um willentlich die neuen Verhaltensweisen auszuführen. Young bedient sich übrigens bei seiner emotionsfokussierten Therapiekonzeption eines psychodynamischen Störungs- und Erklärungsmodells.
Und damit wären wir bei einem anderen wichtigen Baustein: der von Sigmund Freud entwickelten Theorien zu den psychischen Instanzen (Über-Ich, Ich, Es) mit den verschiedenen Bewusstseinszuständen (bewusst, vor-bewusst, un-bewusst) und den neurotischen Leiden, die oft durch Abwehrmechanismen von unbewussten Wünschen oder Erfahrungen hervorgerufen werden. (Einen Artikel im psychologischen Blog der SRH von mir zur ‚Hysterie‘ finden Sie hier) Viele seiner grundlegenden Überlegungen der Psychoanalyse haben bis heute Bestand, andere sind erweitert, manche auch verworfen worden. Unter dem Begriff der psychodynamischen Therapie werden in der Psychologie diese verschiedenen Modelle in der Tradition von Freud subsummiert. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie z.B. bekennt sich zu vielen der Erkenntnisse von Freud, ist aber klientenzentriert und bei entsprechender Wirksamkeit offen für Maßnahmen aus der kognitiven Verhaltenstherapie.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Die Arbeit im Rahmen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie richtet sich nach dem Dreiklang: Klärung, Konfrontation und Deutung. Es muss dabei aber berücksichtigt werden, um welche Art von Konflikten es sich handelt. In der Psychodynamik wird allgemein zwischen intrapsychischen und interpersonellen Konflikten unterschieden. Bei den innerseelischen (intrapsychischen) kann es sich um den Widerspruch zwischen dem Selbstbild und der Normenwelt handeln (Über-Ich-Es-Konflikte) oder um Scham-Schuld-Dilemmata. Diese Konflikte sind oft verbunden mit den sogenannten ‚reifen‘ Abwehrmechanismen wie Verdrängung, Sublimierung oder Rationalisierung.
Bei den zwischenmenschlichen Konflikten steht dem Wunsch nach einer bestimmten Form der Beziehung die Angst vor einer meist fantasierten negativen Reaktion entgegen. Dies führt oft dazu, dass die Kontakte zu den Mitmenschen unbeständig oder sogar schädlich ausfallen. Der oder die Klientin arbeitet unbewusst mit Abwehrmechanismen wie Spaltung oder der projektiven Identifizierung, um die verschiedenen Teile des eigenen Selbst in Einklang zu bringen. In der Therapie muss deshalb auf die Übertragung bzw. Gegen-Übertragung zwischen PatientIn und TherapeutIn geachtet werden. Das Durcharbeiten der erkannten, bewusstgemachten Konflikte nimmt im Rahmen der Behandlung eine zentrale Rolle ein.
Verändert sich ein Mensch, verändern sich die ihn umgebenden Systeme
Im Rahmen meiner Beratung spielt das Wissen um diese Zusammenhänge, die Wirksamkeit von Methoden und Konzepten eine wichtige Rolle. (Einen Beitrag im psychologischen Blog der SRH zum Thema Zwangsstörung finden Sie hier) Die Kausalitäten des Verhaltens gemeinsam zu erarbeiten, kann dem oder der Klientin einen neuen Blick auf die eigene Persönlichkeit eröffnen. Damit einher geht oft auch ein veränderter Umgang mit den Mitmenschen. Denn ganz im Sinne der systemischen Therapie: Verändert sich ein Mensch, verändern sich die ihn umgebenden Systeme.
Literatur:
Ameln v., F. und Willemse, J. Theorie und Praxis des systemischen Ansatzes Springer: Berlin 2018
Hautzinger, M. und Linden, M. Verhaltenstherapiemanual Springer: Berlin 2005
Mahr, Ch. Praxishandbuch Integrative Psychotherapie Springer: Berlin 2018
Migge, B. Handbuch Coaching und Beratung, Beltz: Weinheim 2018
Wöller, W. und Kruse, J. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Schattauer: Stuttgart 2014